Die Lernende Organisation - Auf dem Weg zur vollständig agilen Organisation
Viele Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, mit einer stetig zunehmenden Umweltdynamik zu Recht kommen zu müssen. Kundenbedürfnisse, Marktbedingungen, Technologien und anderes ändern sich in einer Geschwindigkeit und Sprunghaftigkeit, die lange nicht bekannt war. Dadurch wird die Fähigkeit zur schnellen Reaktion und angemessenen Selbstveränderung, welche die Angepasstheit an die relevanten Umweltaspekte sicherstellt, zu einem zentralen strategischen Erfolgsfaktor.
Das Konzept der Lernenden Organisation ist ein evolutionärer Ansatz zur Verbesserung der gesamten Organisation, bei dem innerbetriebliche Vorgänge kontinuierlich weiterentwickelt werden. Mitarbeiter, Gruppen sowie die Organisation insgesamt befinden sich dabei in einem ständigen Veränderungs- bzw. Verbesserungsprozess in Bezug auf die Struktur der Organisation sowie das Verhalten und Wissen der Mitarbeiter. Eine Lernende Organisation ist somit eine Organisation, in der Veränderungen als normal akzeptiert werden, die über eine entsprechende Organisationskultur und organisatorische Mechanismen des Lernens verfügt und in der die höheren Intensitätsstufen des Lernens verwendet werden.
Lernende Organisationen sind offene Systeme Mit offenen System ist gemeint, dass die lernende Organisation mit ihrer Umwelt in einem offenen Austausch steht. Informationen werden also sowohl nach außen weitergegeben als auch von außen in die interne Organisation eingebunden.
Lernende Organisationen sind dynamische Systeme
Lernprozesse führen zu Veränderungsprozessen, wodurch die lernende Organisation ständig im Wandel ist. Damit ist die Fähigkeit gemeint Strukturen, Prozesse und IT-Systeme bedarfs- und zeitgerecht anzupassen
Lernende Organisationen sind undeterminierte Systeme Lernende Organisationen akzeptieren, dass die Zukunft nicht vorhersehbar ist. Veränderung muss nicht angeordnet werden, Sie ist geprägt durch die Fähigkeit, sich jederzeit schnell und flexibel an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.
Lernende Organisationen sind selbstorganisierte Systeme
Informationsbedarf richtet sich nicht nach dem funktionalen Aufbau einer Organisation, sondern an der Transparenz von Wissensträgern. Nur so kann Flexibilität und Dynamik des Wissens auf höchster Stufe gewährleistet werden.
Kernwerte einer lernenden Organisation
Die wesentlichen Werte einer lernenden Organisation lassen sich in acht Dimensionen zusammenfassen:
Eine Lernende Organisation baut klassische Hierarchien ab, fördert Führungspotentiale und gibt ihren Mitgliedern mehr Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten.
Durch die Delegation von Verantwortung erhalten Mitarbeiter die Freiräume, die sie benötigen, um in ihrem Umfeld die optimale Lösung zu finden.
Entscheidungen werden auf der Stufe der höchsten Kompetenz getroffen und nicht auf der Ebene der höchsten Hierarche.
Eine Lernende Organisation schätzt jede Art von Wissen und Lernstilen. Sie schafft eine Lernumgebung, die jedem Mitarbeiter die Möglichkeit bietet, seine Potenziale auszuschöpfen.
Eine Lernende Organisation ermöglicht den Dialog und Austausch zwischen ihren Mitgliedern. Das Zulassen unterschiedlicher Erfahrungen und Perspektiven fördert Ideen und das kreative Denken.
Eine Lernende Organisation legt Wert auf kollaboratives Arbeiten. Traditioneller Barrieren zwischen Bereichen werden abgebaut.
Eine Lernende Organisation ist durch eine ausgeprägte Fehlerkultur gekennzeichnet, in der das Scheitern einzelner Vorhaben als notwendige Lernerfahrung auf dem Weg zur optimalen Lösung verstanden wird.
Eine Lernende Organisation ist durch eine permanente Selbstreflektion seiner Mitglieder geprägt, in der die eigenen Arbeitsprozesse und -ergebnisse eigenständig hinterfragt und optimiert werden.
Die Aufgaben der Lernenden Organisation
Das richtige Organisationsverständnis im Zusammenhang mit der Lernenden Organisation ist sehr wichtig. Denn häufig wird die Einführung von Wissensmanagement-Systemen oder einzelnen formalen Weiterbildungsprogrammen als ausreichend für den Aufbau einer Lernenden Organisation verstanden. Die systemische Bedeutung der Organisation wird dabei nicht verstanden und berücksichtigt. Es empfiehlt sich daher die Organisation als end-to-end Prozess, als Lerneinheit und als Unterstützer sowie Moderator des Lernens zu betrachten, um nicht nur das Prinzip des Lernens zu verstehen, sondern auch die Funktion der Organisation.
Die Organisation als Unterstützer und Moderator des Lernens
Die Lernende Organisation bietet ihren Mitarbeitern nicht nur die Möglichkeit an formalen Weiterbildungsprogrammen teilzunehmen, die außerhalb des Arbeitsplatzes stattfinden. Vielmehr verbindet sie den Arbeitsplatz und die damit verbundenen Tätigkeiten mit Möglichkeiten des ständigen bewussten und unbewussten Lernens. Das umfasst vor allem folgende Aspekte:
Unternehmenskultur: Die lernende Organisation zeichnet sich durch eine Unternehmenskultur aus, die ihre Mitarbeiter dazu ermutigt, zu lernen und ihr Wissen innerhalb der Organisation zu teilen.
Führung: Führung und Kultur bedingen einander. Eine förderliche Unternehmenskultur scheitert, wenn Führungskräfte nicht bereit sind, ihre Mitarbeiter zu motivieren. Die Führung muss ihren Mitarbeitern die entsprechenden Freiräume und technischen Möglichkeiten zur Verfügung stellen, die für das Lernen und das Teilen von Wissen notwendig sind.
Systeme: Eine lernende Organisation muss eine entsprechende Lern- und Wissenstechnologie zur Verfügung stellen, mit der Mitarbeitern die richtigen Informationen und das richtige Wissen zu jeder Zeit zur Verfügung gestellt werden kann, und mit denen sie eigenes Wissen speichern und teilen können.
Die Organisation als Lerneinheit
Die Organisation als Lerneinheit beschreibt die Bedeutung des individuellen Lernens für die Organisation selber. Mitarbeiter lernen zwar als Individuen, entscheidend für eine lernende Organisation ist aber, dass sowohl das erlernte als auch das bereits vorhandene Wissen gespeichert und für jeden Mitarbeiter der Organisation zugänglich gemacht wird. Ziel der Organisation ist es also nicht nur das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter zu erweitern, sondern ein organisatorisches Gedächtnis aufzubauen. Aus diesem Grund hängt das Konzept der lernenden Organisation eng mit dem des Wissensmanagements zusammen.
Die Organisation als end-to-end Prozess
End-to-end Prozess in Bezug auf die lernende Organisation bedeutet, dass die einzelnen Mitarbeiter nicht nur Wissenssilos darstellen, sondern dass sie erlernen, die Aufgaben ihrer jeweiligen Teammitglieder zu übernehmen. Auf diese Weise erhöht die Organisation sowohl ihre interne Agilität, als auch ihre nach außen gerichtete Flexibilität. So kommen beispielsweise Prozesse mit Kunden oder Dienstleistern bei krankheits- oder kündigungsbedingten Ausfällen nicht zum Erliegen.
Der Faktor Mensch in der Lernenden Organisation
„Organizations learn only through individuals who learn“
Das Lernen des Individuum ist eine Grundvoraussetzung für das Lernen der Organisation. Um also eine Lernende Organisation zu entwickeln, muss eine Organisation ihre Mitarbeiter in den Fokus rücken. Daher gibt es fünf Disziplinen, die für die Entwicklung einer lernenden Organisation notwendig sind:
Personal Mastery Personal Mastery umfasst nicht nur die Erweiterung von Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter, sondern vor allem die Fähigkeit zur ständigen Selbstschulung und Selbstführung. Diese “creative tension”, die eng mit den Freiheitsgraden einer agilen Organisation zusammenhängen, unterliegt, wenn es zu einer organisatorischen Disziplin wird, zwei Bewegungen: Zum einen die Klärung was wichtig, was unsere Vision ist, und zum zweiten das fortlaufende Streben nach dem Erkennen der objektiven Realität.
Mental Models Mentale Modelle sind explizite und implizite Grundannahmen von Mitarbeitern hinsichtlich unterschiedlicher Themen. Zwei Menschen mit zwei verschiedenen mentalen Modellen können die gleichen Dinge ganz unterschiedlich wahrnehmen. Nur wenn man diese mentalen Modelle auf eine bewusste Ebene bringt, also zu einer kritischen Selbstreflexion der eigenen mentalen Modelle, können gemeinsame mentale Modelle entwickelt werden. Es geht ausdrücklich nicht darum unterschiedliche Meinungen und Diversität zu verhindern, sondern dass alle Mitarbeiter überzeugt von einer übergeordneten Vision sind.
Shared Vision Die gemeinsame Vision dient der Identifikation der Mitarbeiter mit der Organisation und somit der Motivation. Grundvoraussetzung ist hierfür das zuvor erstellte gemeinsame mentale Modell, damit die Werte der Organisationsausrichtung mit den individuellen Werten übereinstimmen. In einer Lernenden Organisation kennt jeder einzelne Mitarbeiter seinen Beitrag zur Optimierung der eigenen Leistung sowie zur Erreichung der übergeordneten Vision.
Team Learning Lernen im Team umfasst die Generierung und die Weitergabe von Informationen und Wissen im Team. Hierfür sind die gemeinsamen Ziele, basierend auf der gemeinsamen Vision und des gemeinsamen mentalen Models, wichtig, die wiederum als Grundlage für Motivation und offener Kommunikation dienen. Entscheidend ist darüber hinaus, dass das vorhandene Wissen und die dahinter stehenden Wissensträger für die Organisation transparent sind. Hierzu sind moderne Lern- und Kollaborationsplattformen unumgänglich.
Systems Thinking Die Denkweise in Systemen ist die übergeordnete und wichtigste Disziplin, die alle Disziplinen miteinander verbindet. Systemisches denken verhindert somit, dass diese Faktoren isoliert voneinander betrachtet werden. Es geht also darum zu begreifen, wie einzelne Elemente ein gesamtes System beeinflussen. Denn erst wenn ein System/ ein Muster in seiner Gesamtheit, einschließlich der wechselseitigen Beziehungen verständlich gemacht wird, sind Veränderungen überhaupt möglich. Diese streben nach Veränderung bestehender Zustände und somit nach Weiterentwicklung, ist somit die treibende Motivation einer Lernenden Organisation.
Aufbau einer Lernenden Organisation
Eine Lernende Organisation muss gezielt aufgebaut werden, und kann nicht als passives Nebenprodukt einzelner isolierter Maßnahmen entstehen. So reicht es nicht aus, einfach nur ein entsprechendes IT-System wie Confluence einzuführen, oder in die Mitarbeiterküche einen Stehtisch zu stellen, um den informellen Austausch zu fördern. Im Folgenden werden daher die wesentlichen Punkte und Aspekte zusammengestellt, die beim Aufbau und der Entwicklung einer Lernenden Organisation wichtig sind.
Ein Hauptverantwortlicher für die Entwicklung der Lernenden Organisation muss bestimmt werden:
Die Lernende Organisation setzt sich aus den unterschiedlichen Bereichen zusammen. Technik, Organisationsdesign und Organisationskultur müssen als übergeordnete Dimensionen ineinandergreifen. Das funktioniert nicht von allein, und muss von jemanden mit dem Rückhalt vom Managements federführend verantwortet werden. Dieser oberste Change Manager hat sowohl das Mandat des Managements als auch die Unterstützung der wichtigsten Meinungsführer in den verschiedenen Unternehmensbereichen, die wiederum als Change Agents die Umsetzung der notwendigen Schritte auf Bereichs- bzw. Abteilungsebene orchestrieren.
Ziele müssen bestimmt werden:
Der Begriff der Lernenden Organisation klingt gut. Aber was genau steckt dahinter, und was sind die damit einhergehenden Ziele? Diese Frage muss klar beantwortet werden, um somit auch das Wissen in der Organisation bewerten zu können. Das Management muss dabei der Initiator sein. Ohne das vollumfängliche Committment des Managements scheitert eine Lernende Organisation. Aus diesem Grund muss das Management Initiator und Treiber sein. Die Ziele dürfen dabei aber nicht allein vom Management definiert werden sondern müssen eng mit den Vorstellungen .
Die Umsetzung muss strategisch geplant werden:
Was wird benötigt und welche Veränderungen müssen durchgeführt werden, um die Ziele einer Lernenden Organisation zu erreichen? Hier ist es wichtig zu verstehen, dass der Übergang zu einer Lernenden Organisation kein Projekt sondern vielmehr ein Prozess ist. Mit anderen Worten, es handelt sich hier um einer organisationsweiten Change Prozess, der gut geplant und in verdaubaren Schritten exekutiert werden muss. Dazu gehört auch, die Ziele zu operationalisieren, damit jeder einzelne Mitarbeiter auch versteht, welchen Beitrag er oder sie zur jeweiligen Zielerreichung beitragen kann.
Die Unternehmenskultur muss definiert werden:
Was zeichnet die bisherige Unternehmenskultur aus und was nicht? Die Unternehmenskultur einer Lernenden Organisation muss vor allem von einer ausgeprägten Veränderungsbereitschaft sowie von einer Veränderungsfähigkeit gekennzeichnet sein. Veränderungsbereitschaft entsteht nur dann, wenn Werte wie Vertrauen, Offenheit, Respekt oder Gleichberechtigung von den Führungskräften aktiv vorgelebt werden und die Mitarbeiter die Vorteilhaftigkeit einer Veränderung für ihr eigenes Umfeld erkennen. Die Veränderungsfähigkeit hängt maßgeblich davon ab, die Mitarbeiter mit den erforderlichen Skills und Technologien auszustatten, die es erfordert, um die Veränderung auch herbeizuführen und nachhaltig zu verankern. Hierfür müssen entsprechende Aus- und Weiterbildungsprogramme entworfen werden.
Interne Netzwerke müssen aufgebaut werden:
Interne Netzwerke dienen in erster Linie dazu, Spannungsverhältnisse zu erzeugen, die eine Grundlage für Kreativität darstellen. Wichtig hierbei ist, dass das Zustandekommen von internen Netzwerken nicht durch tradierte Denkweise in hierarchischen Strukturen verhindert wird. Eine Organsation wird dauerhaft nur dann mit der zunehmenden Komplexität und Dynamik der Märkte mithalten können, wenn sich cross-funktionale Teams über Hierarchie- und Bereichsgrenzen hinweg zusammen finden. Diese Zusammenarbeit muss durch moderne IT-Systeme wie Kollaborationstools unterstützt werden.
Externer Netzwerke müssen geknüpft werden:
Externe Netzwerke sind unerschöpfliche Informations- und Wissensquellen, die als Teil einer Lernenden Organisation systematisch genutzt werden müssen. Es ist das Selbstverständnis einer Lernenden Organisation anzuerkennen, dass das erforderliche Wissen nicht mehr nur allein in den eigenen Reihen zu finden ist. Zu vielfltig und zu komplex sind die Anforderungen des Marktes, als dass man das erforderliche Spezialwissen permanent in den eigenen Reihen verfügbar hält. Auch ist es für eine Lernende Organssation selbstverständlich, sich gegen externe Marktteilnehmer zu benchmarken, um weiteres Potential zur Verbesserung transparent zu machen.
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